Wissensmanagement
Mit KI-Agenten zu Expertenwissen auf Knopfdruck
Am 19. April 2024 hatte ich, Marius Högger (AI Engineer bei bbv), die Gelegenheit, im Rahmen der KI in Action-Eventreihe des Branchenverbands Swico einen Vortrag zum Thema „Wissensmanagement mit KI-Agenten“ zu halten. Die Veranstaltung fand inmitten einer aussergewöhnlichen Kulisse im Luma Westbau in Zürich statt, wo meterhohe Bücherregale und Kunstobjekte eine inspirierende Umgebung für den Wissensaustausch boten.
Gleich zu Beginn wurde klar: Der Swico wollte den Teilnehmenden nicht nur theoretisches Hintergrundwissen vermitteln, sondern ihnen durch konkrete Beispiele und Einblicke in die Praxis zeigen, wie KI zielführend eingesetzt werden kann. Zusammen mit zwei weiteren Referenten stand ich im Zentrum eines lebendigen Austauschs, der die Faszination, aber auch die Herausforderungen von künstlicher Intelligenz beleuchtete.
Die SWICO-KI-Eventreihe „KI in Action“
Die SWICO-KI-Eventreihe ist darauf ausgerichtet, Mitglieder und Interessierte mit aktuellen Trends und Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz vertraut zu machen. Unter dem Motto „KI in Action“ durften die Teilnehmenden am 19. April 2024 spannende Vorträge verfolgen, die sich um folgende Themen drehten:
- „ChatGPT entzaubert“ – vorgestellt von Joel Barmettler (Senior AI Engineer bei bbv und Universität Zürich), der anhand von Machine-Learning-Grundlagen und konkreten Beispielen veranschaulichte, wie Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT funktionieren und wo ihre Grenzen liegen.
- „Wissensmanagement mit KI-Agenten“ – mein Vortrag, in dem ich einen Proof of Concept zum praktischen Einsatz von KI-Agenten im Unternehmen präsentierte. Der Fokus lag darauf, wie Mitarbeitende über KI-gestützte Systeme Zugriff auf relevantes Expertenwissen erhalten, ohne sich in Datenfluten zu verlieren.
- „Strategien zur Transformation von Ideen in KI-gestützte Produkte“ – referiert von meinem Kollegen Dr. Emre Özyurt (Consultant im Bereich KI bei bbv), der in seinem Beitrag Methoden und Vorgehensweisen aufzeigte, um aus ersten Ideen tragfähige KI-Produkte zu entwickeln.
Ziel der Veranstaltung war es, Brücken zwischen Theorie und Praxis zu schlagen und aufzuzeigen, wie KI in unterschiedlichen Unternehmensbereichen Mehrwerte schafft.
Mein Vortrag: „Wissensmanagement mit KI-Agenten“
In meinem Referat stellte ich die Frage, wie wir das allgegenwärtige „Wissenslabyrinth“ in Unternehmen mithilfe von KI-Agenten besser durchdringen können. Nicht selten liegen wichtige Informationen verstreut in verschiedenen Abteilungen, Datenbanken und Dokumenten, was vor allem für neue Mitarbeitende eine zeitaufwändige Suche bedeutet.
Kontext ist der Schlüssel
Ein Kernelement meiner Präsentation war die Bedeutung des Kontexts. Klassische Chatbots wie ChatGPT basieren auf statistischen Sprachmodellen und sind hervorragend darin, natürliche Sprache zu verarbeiten. Allerdings ist ihre Faktualität nicht immer garantiert, da sie häufig nur das nächstwahrscheinliche Wort vorhersagen, ohne zwingend auf echte Daten aus der Unternehmensumgebung zurückzugreifen. Um diesem Problem zu begegnen, setzte ich auf das Prinzip der Retrieval Augmented Generation (RAG).
Mit RAG werden externe, firmenspezifische Datenquellen dynamisch in den Antwortprozess eingebunden. Das bedeutet, dass die KI – statt auf ihr Training allein zurückzugreifen – relevante Dokumente aus einer Wissensdatenbank abruft und daraus konkrete Informationen extrahiert. Dieser Schritt erhöht die Qualität der Antworten massgeblich und sorgt dafür, dass das KI-System Unternehmenskontext versteht und bei Bedarf faktengestützte Ergebnisse liefert.
KI-Agenten als virtuelle Mitarbeitende
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Konzept der KI-Agenten. Anders als reine Chatbots haben Agenten eine definierte „Rolle“ und „Aufgabe“ – sie agieren wie virtuelle Mitarbeitende, die nicht nur Fragen beantworten, sondern auch aktiv Expertenwissen von realen Mitarbeitenden aufnehmen und in Echtzeit wieder verfügbar machen. Ich erläuterte, wie sich solche Agenten mithilfe von Rollenprofilen und „Charaktereigenschaften“ (z. B. Tonalität, Fachgebiet, Verantwortung) konfigurieren lassen, damit sie passgenau auf die jeweilige Problemstellung eingehen.
Proof of Concept: Mehrwert in der Praxis
Um meine Ausführungen greifbar zu machen, präsentierte ich einen Proof of Concept, bei dem ein KI-Agent neu eingestellte Mitarbeitende bei der Einarbeitung unterstützt. Anstatt sich mühsam durch unzählige Dokumente zu arbeiten, erhalten sie über eine einfache Chatoberfläche direkt Zugriff auf relevante Prozessdokumente, Checklisten oder Kontaktpersonen. Der Agent lernt dabei kontinuierlich aus den Eingaben der Mitarbeitenden, speichert dabei neue Erkenntnisse und stellt sie beim nächsten Mal automatisiert zur Verfügung.
Der Feueralarm: Eine ungeplante Pause
Während meines Vortrags passierte etwas, das den Abend wortwörtlich „aufheizte“: Beim Zubereiten des Apéros im Nebenraum brannte offenbar etwas an, was zu einem ungeplanten Feueralarm führte. Plötzlich ertönte lautes Sirenengeheul, und wir mussten den Veranstaltungssaal fluchtartig verlassen.
Was zunächst für ein wenig Unruhe sorgte, erwies sich im Nachhinein als willkommene Gelegenheit, das Gehörte setzen zu lassen. Manche Teilnehmende nutzten die kurze Zwangspause, um draussen über mögliche KI-Anwendungsfälle in ihren eigenen Unternehmen zu diskutieren. Nach wenigen Minuten gab es Entwarnung, und wir konnten die Präsentation – ebenso wie den restlichen Event – ohne weitere Zwischenfälle fortsetzen.
Diskussionen und Ausblick
In der anschliessenden Diskussionsrunde zeigten sich bei vielen Anwesenden noch offene Fragen zu den Themen Datenschutz, Berechtigungen und Bias. So wurde unter anderem darüber gesprochen, inwieweit ein KI-Agent auf vertrauliche Firmeninformationen Zugriff haben darf und wie sichergestellt werden kann, dass keine unerwünschten Datenlecks entstehen. Ich wies dabei auf die Möglichkeit hin, Zugriffsrechte granular zu steuern und die Agenten nur mit jenen Informationen zu „füttern“, die sie tatsächlich für ihre Aufgabe benötigen.
Manipulations- und Bias-Gefahr waren ebenfalls wichtige Schlagworte: Da Sprachmodelle in hohem Masse vom vorhandenen Datenmaterial abhängen, kann es leicht passieren, dass einseitige oder unvollständige Datensätze Verzerrungen (Biases) in den Antworten der KI begünstigen. Genau hier setzen Massnahmen wie ein kontrolliertes Datenmanagement, ein sorgfältiges Prompt-Engineering sowie eine stetige Überwachung und Aktualisierung der Modelle an.
Neben den technischen Herausforderungen steht stets die Frage im Raum, wie man ein derartiges Projekt finanzieren, gegenüber der Geschäftsleitung vertreten und langfristig in die bestehenden Organisationsstrukturen integrieren kann. Hier hob mein Kollege Dr. Emre Özyurt in seinem Referat hervor, dass es häufig ratsam ist, mit einem Pilotprojekt in einem begrenzten Wissensbereich zu beginnen. Sobald die Ergebnisse überzeugen, kann man schrittweise weitere Wissensdomänen erschliessen.
Fazit: KI-Agenten im Unternehmen
Die Resonanz auf meine Präsentation bei der Swico-KI-Eventreihe war durchweg positiv. Teilnehmende sahen ein grosses Potenzial darin, KI-Agenten in ihren Firmen einzusetzen, um das Wissensmanagement zu optimieren und Mitarbeitende von wiederkehrenden Recherchen zu entlasten. Trotz gelegentlicher Bedenken rund um Datenschutz und Kosten waren sich viele einig, dass ein gut durchdachtes und engmaschig überwachtes KI-System langfristig enorme Vorteile bringt.
Wissensagenten haben das Potenzial, den Zugang zu Firmenwissen zu revolutionieren: Sie agieren proaktiv, lernen kontinuierlich dazu und schaffen ein dynamisches, lebendiges Wissensnetzwerk. Gerade für Unternehmen, die in einem stark kompetitiven Umfeld agieren, kann dies ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein.
Insgesamt war der Event – ungeplanter Feueralarm inklusive – ein voller Erfolg: Er vermittelte ein fundiertes Verständnis der aktuellen KI-Technologien und eine klare Vorstellung davon, wie sich diese zielführend in die Unternehmenspraxis transferieren lassen. Für mich persönlich war es eine spannende Gelegenheit, mein Proof of Concept vor einem interessierten Fachpublikum zu präsentieren und wertvolles Feedback zu erhalten. Ich bin überzeugt, dass wir in den kommenden Jahren weitere rasante Fortschritte erleben werden und freue mich darauf, diesen Weg gemeinsam mit der Swico-Community und interessierten Unternehmen weiterzugehen.
Links
- KI in Aktion: Transformation von Wissensmanagement durch künstliche Intelligenz, auf SWICO.ch.
- Rauchende Köpfe und Küchen beim Swico von der Netzwoche.